Gottfried Kölwel



Kleines Selbstporträt

Zu Beratzhausen in der Oberpfalz, einem uralten bayerischen Marktflecken, den schon Wolfram von Eschenbach besang und wo Paracelsus zeitweise an seinen Werken schrieb, kam ich im Oktober des Jahres 1889, gerade um die Zeit der Kirchweih, in einem gleichfalls uralten Haus zur Welt, das einst den Pfalzgrafen von Neuburg als Pflegegericht diente und später von meinem Großvater erworben wurde, nachdem er, vom Rhein kommend, Frankreich und Spanien durchwandert hatte.

Zwischen Bürgern und Bauern, auf sommerheißen Jurafelsen, zwischen Blumen und Heu, unter blühenden und fruchtenden Gartenbäumen, nachts bei verbotenem Kartenspiel, im Weihrauch der Hexennächte, unter prickelnden Christbäumen, mit Hunden, Katzen, Füchsen und bunten, selbstgemachten Marionetten verlachte und vergrübelte ich meine erste Jugend.

Als vierzehnjähriger, blasengelbackiger Bub schrieb ich vor klaffenden Lehrbüchern meine ersten, herzlich schlechten Frühlings-, Wald- und Gewitterverse.

Allerdings war ich damals, während meiner Studienzeit; in Farbe und Pinsel noch mehr verliebt als in die Feder, und erst mit. zunehmendem Alter, nachdem ich mit einem förmlichen Heißhunger Bücher und Literaturgeschichten verschlungen hatte, gewann die Liebe zur Dichtung die Oberhand.

Diese Neigung zur Literatur war so selbstverständlich, ja, ich möchte fast sagen, sie war mir eingewachsen wie Auge, Nase, Ohr und Herz, so daß ich neben dem Leben selbst nichts Bewegenderes kannte als sie. Es drängte, ja, es bedrängte mich förmlich, alles Innere nach außen zu formen...

 



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